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05.08.2025

Nationale Regelung zu Dividenden-Besteuerung: Unionsrechtswidrig

Eine nationale Regelung, die vorsieht, dass mehr als fünf Prozent der Dividenden, die Finanzintermediäre als Muttergesellschaften von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften beziehen, besteuert werden, verstößt gegen das Unionsrecht. Dies gilt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch dann, wenn diese Besteuerung durch eine Steuer erfolgt, die keine Körperschaftsteuer ist, deren Bemessungsgrundlage aber diese Dividenden oder einen Teil davon umfasst.

In den Steuerjahren 2014 und 2015 bezog Banca Mediolanum, eine Bank mit steuerrechtlichem Sitz in Italien, Dividenden von ihren Tochtergesellschaften, deren steuerrechtlicher Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Union lag. Banca Mediolanum nahm von den Dividenden fünf Prozent ihres Betrags in die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer (im Folgenden: IRES) auf. Als Finanzintermediär nahm sie von diesen Dividenden auch 50 Prozent ihres Betrags in die Bemessungsgrundlage der regionalen Steuer auf Produktionstätigkeiten (im Folgenden: IRAP) mit auf, um eine speziell Finanzintermediäre betreffende Bestimmung des italienischen gesetzesvertretenden Dekrets über die IRAP einzuhalten.

In der Folge beantragte Banca Mediolanum die Erstattung dieses Anteils der IRAP unter Berufung darauf, dass diese Bestimmung gegen das Unionsrecht verstoße. Die Steuerverwaltung lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass diese Bestimmung nicht gegen die Richtlinie 2011/96 verstoße. Das italienische Gericht, bei dem die Rechtssache anhängig ist, ersucht den EuGH um Auslegung der Richtlinie.

Laut EuGH lässt die Richtlinie 2011/96 den Mitgliedstaaten in Bezug auf die steuerrechtliche Behandlung der von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne ausdrücklich die Wahl zwischen dem Befreiungs- und dem Anrechnungssystem. Italien wende das Befreiungssystem an. Zusätzlich zu der nach dieser Richtlinie zulässigen Besteuerung von fünf Prozent der von Tochtergesellschaften an ihre in Italien ansässigen Muttergesellschaften ausgeschütteten Dividenden verlange die nationale Regelung allerdings, dass 50 Prozent dieser Dividenden unabhängig von ihrer Herkunft in die Bemessungsgrundlage einer anderen Steuer, nämlich der IRAP, einbezogen werden.

Der EuGH stellt fest, dass die in der Richtlinie 2011/96 enthaltene Vorschrift, dass ein Mitgliedstaat, der das Befreiungssystem gewählt hat, davon absehen muss, die Gewinne zu besteuern, die einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften zufließen, auf keine bestimmte Steuer abzielt. Daher erfasse das Befreiungssystem nach dem Wortlaut dieser Vorschrift jede Steuer, deren Bemessungsgrundlage die Dividenden miteinschließt, die einer Muttergesellschaft von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften zufließen.

Ferner stellt der EuGH fest, dass diese Richtlinie verhindern soll, dass es in wirtschaftlicher Hinsicht zu einer Doppelbesteuerung dieser Gewinne kommt, und das Befreiungssystem daher jede Steuer gleich welcher Art erfasst, deren Bemessungsgrundlage auch nur einen Teil dieser Gewinne im Mitgliedstaat des Sitzes der Muttergesellschaft miteinschließt.

Die speziell Finanzintermediäre betreffende Bestimmung des italienischen gesetzesvertretenden Dekrets über die IRAP habe jedoch zur Folge, dass 50 Prozent der Dividenden, die diese Finanzintermediäre von ihren Tochtergesellschaften beziehen, in die Bemessungsgrundlage der IRAP einbezogen werden, die die Finanzintermediäre zu entrichten haben, unabhängig von der Herkunft dieser Dividenden. Also sei für den Fall, dass das Befreiungssystem gewählt wurde, festzustellen, dass die Richtlinie 2011/96 einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der es einem Mitgliedstaat gestattet ist, mehr als fünf Prozent der Dividenden, die den in diesem Mitgliedstaat ansässigen Finanzintermediären von ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften zufließen, zu besteuern. Das gilt laut EuGH auch dann, wenn diese Besteuerung durch eine Steuer erfolgt, die keine Körperschaftsteuer ist, wie die IRES, deren Bemessungsgrundlage aber diese Dividenden oder einen Teil davon umfasst, wie es bei der IRAP der Fall ist.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 01.08.2025, C-92/24, C-93/24 und C-94/24